Manchmal denke ich mir, es ist wie eine Invasion. Sie sind
mittlerweile überall. Vielleicht reagiere ich sensibel auf sie. Das können sie
übrigens gar nicht verstehen, wenn jemand ihre Sicht der Dinge nicht teilt.
Dann erntet man schnell dieses abschätzige Lächeln gepaart mit einem
Kopfschütteln und dieser seltsamen Kopfstellung (ähnlich wie bei Frauke Petry,
deren Mimik bei Talkshowauftritten schon ausreichen kann, um ein Gefühl der
Aggression auszulösen).
Sie sind meistens noch recht jung, oft recht gebildet und
gehören häufig zu den Menschen, die sich zumindest in materieller Hinsicht
keinerlei Sorgen machen müssen.
Ihre Mission: Die Welt verbessern.
Ihre Herangehensweise: Radikal und intolerant.
Ihre Art: Scheinheilig.
Es sind immer wieder die gleichen Themen. Umwelt ist dabei
so ein Renner. Mit ernstem Blick und verurteilender Mimik wird debattiert. In
einem Uni-Seminar, das die Finanzkrise behandelte, diskutierten wir darüber,
wie viel Wale man hätte retten können, hätte man mit dem Geld nicht die Banken
gerettet. Sicherlich wären das viele Wale gewesen.
Der Versuch diesen Vergleich
als nicht zielführend darzustellen, endet meist in Anschuldigungen dem Kapitalismus verfallen und somit ethisch und moralisch abgestumpft zu sein.
Ethik und Moral sind die Lieblingsargumente dieser Menschen. Sachliche Diskussionen
fallen daher oft schwer. Interessant wird es, wenn die vermeintlichen Umweltaktivisten
und Weltverbesserer ihr i-Phone rausholen oder sich ihrem Macbook widmen.
Da kommen wir auch schon zum nächsten Erkennungszeichen: Der
überklebte Apfel auf ihrem Macbook.
Damit haben sie den Kapitalismus im Produkt
ausreichend abgestraft. Jetzt prankt dort ein Sticker. Und damit meine ich
nicht einen dieser Sticker, die den Apfel irgendwie in Szene setzen – nein, es
sind die Aktivisten-Sticker. Ob von Peta, Occupy oder Greenpeace ist dabei
eigentlich egal – Hauptsache, sie verdecken den Apfel.
Scheinheiligkeit. Oft gepaart mit dieser Intoleranz. Das
finde ich immer wieder aufs Neue ironisch, weil kaum jemand so oft Toleranz
fordert wie sie. Besonders ausgeprägt sind diese Eigenschaften dann, wenn viele
von ihnen zusammen sind. Dann pushen sie sich gegenseitig und überbieten sich
in ihren Ansichten und Theorien – Widerspruch wird entweder freundlich
ignoriert oder, wenn er denn wahrgenommen wird, mit den Lieblingsargumenten aus
Moral und Ethik degradiert.
„Moralische
Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen“ Helmut Qualtinger, österreichischer Schauspieler
Noch viel schlimmer ist eigentlich, wie gut sie damit
ankommen. Sie werden gefeiert. Selbst in der Promi-Welt ist dieses Phänomen
erfolgreich eingezogen. Bestes Beispiel: Oscar-Preisträger Leornardo DiCaprio.
Dieser Umweltschützer. Er liebt die Natur und wird auch nicht müde in jedes
Interview und Statement einen Satz einfließen zu lassen, der seinen Einsatz
gegen die Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung klar macht. Dafür hat er sogar
schon Preise bekommen. Die holt er sich am liebsten mit seinem Privat-Jet ab –
wieso sollte man auch einen Linienflug nehmen?
Ist es nicht komisch, dass ein
Mann, dessen eigener ökologischer Fußabdruck allein durch seine spritfressenden
Luxusyachten höher ist als der einer Durchschnittsfamilie, für sein
Umweltengagement geehrt wird?
Doch diese Scheinheiligkeit ist wohl en vogue. Diese
Bewunderung und Anerkennung für ein Verhalten kann ganze Trends auslösen.
Beispiel Ernährung. In Berlin ist es mittlerweile eigentlich kein Trend mehr,
sondern vielmehr Alltag. Öko, vegetarisch oder vegan – ich bin der Letzte, der
etwas dagegen hätte. Über Missionierungsversuche wurde sich oft genug
aufgeregt, an sie hat man sich gewöhnt. Es ist vielmehr dieser Anspruch der oft
dahinter steckt: Für mich nur die beste Ernährung. Nur Bio, kein Fleisch,
Zucker und Fett am besten auch nicht – es bleibt eine kleine Auswahl an
hochwertigen überteuerten Lebensmitteln.
Was die Anhänger dieser Esskultur
häufig vergessen ist, dass es Luxus ist, dieser Lebensart zu folgen.
Und auch, dass
es oft eine gewisse Form des Egoismus ist. Verkauft wird sie aber ganz anders:
Als Liebe zur Umwelt und als Statement gegen den Konsum. Leider entspricht
diese Etikette nicht ganz dem Inhalt des Verhaltens. Doch auch hier hat sich
die Scheinheiligkeit ihren Weg gebahnt.
Die Kette kann man ewig fortsetzen – mir reicht es meistens
schon meinen Facebook-Newsfeed durchzuschauen. Da finde ich immer wieder neue
Scheinheiligkeitsmomente.
Und dann frage ich mich manchmal: Gibt es so viele,
die auf den überklebten Apfel reinfallen?
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