Mittwoch, 27. Juli 2016

Der überklebte Apfel und die Armee der Heuchler



Manchmal denke ich mir, es ist wie eine Invasion. Sie sind mittlerweile überall. Vielleicht reagiere ich sensibel auf sie. Das können sie übrigens gar nicht verstehen, wenn jemand ihre Sicht der Dinge nicht teilt. Dann erntet man schnell dieses abschätzige Lächeln gepaart mit einem Kopfschütteln und dieser seltsamen Kopfstellung (ähnlich wie bei Frauke Petry, deren Mimik bei Talkshowauftritten schon ausreichen kann, um ein Gefühl der Aggression auszulösen).
Sie sind meistens noch recht jung, oft recht gebildet und gehören häufig zu den Menschen, die sich zumindest in materieller Hinsicht keinerlei Sorgen machen müssen.

Ihre Mission: Die Welt verbessern.
Ihre Herangehensweise: Radikal und intolerant.
Ihre Art: Scheinheilig.

Es sind immer wieder die gleichen Themen. Umwelt ist dabei so ein Renner. Mit ernstem Blick und verurteilender Mimik wird debattiert. In einem Uni-Seminar, das die Finanzkrise behandelte, diskutierten wir darüber, wie viel Wale man hätte retten können, hätte man mit dem Geld nicht die Banken gerettet. Sicherlich wären das viele Wale gewesen. 

Der Versuch diesen Vergleich als nicht zielführend darzustellen, endet meist in Anschuldigungen dem Kapitalismus verfallen und somit ethisch und moralisch abgestumpft zu sein. 

Ethik und Moral sind die Lieblingsargumente dieser Menschen. Sachliche Diskussionen fallen daher oft schwer. Interessant wird es, wenn die vermeintlichen Umweltaktivisten und Weltverbesserer ihr i-Phone rausholen oder sich ihrem Macbook widmen.

Da kommen wir auch schon zum nächsten Erkennungszeichen: Der überklebte Apfel auf ihrem Macbook. 

Damit haben sie den Kapitalismus im Produkt ausreichend abgestraft. Jetzt prankt dort ein Sticker. Und damit meine ich nicht einen dieser Sticker, die den Apfel irgendwie in Szene setzen – nein, es sind die Aktivisten-Sticker. Ob von Peta, Occupy oder Greenpeace ist dabei eigentlich egal – Hauptsache, sie verdecken den Apfel.
Scheinheiligkeit. Oft gepaart mit dieser Intoleranz. Das finde ich immer wieder aufs Neue ironisch, weil kaum jemand so oft Toleranz fordert wie sie. Besonders ausgeprägt sind diese Eigenschaften dann, wenn viele von ihnen zusammen sind. Dann pushen sie sich gegenseitig und überbieten sich in ihren Ansichten und Theorien – Widerspruch wird entweder freundlich ignoriert oder, wenn er denn wahrgenommen wird, mit den Lieblingsargumenten aus Moral und Ethik degradiert.

„Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen“ Helmut Qualtinger, österreichischer Schauspieler

Noch viel schlimmer ist eigentlich, wie gut sie damit ankommen. Sie werden gefeiert. Selbst in der Promi-Welt ist dieses Phänomen erfolgreich eingezogen. Bestes Beispiel: Oscar-Preisträger Leornardo DiCaprio. Dieser Umweltschützer. Er liebt die Natur und wird auch nicht müde in jedes Interview und Statement einen Satz einfließen zu lassen, der seinen Einsatz gegen die Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung klar macht. Dafür hat er sogar schon Preise bekommen. Die holt er sich am liebsten mit seinem Privat-Jet ab – wieso sollte man auch einen Linienflug nehmen?

Ist es nicht komisch, dass ein Mann, dessen eigener ökologischer Fußabdruck allein durch seine spritfressenden Luxusyachten höher ist als der einer Durchschnittsfamilie, für sein Umweltengagement geehrt wird?

Doch diese Scheinheiligkeit ist wohl en vogue. Diese Bewunderung und Anerkennung für ein Verhalten kann ganze Trends auslösen. Beispiel Ernährung. In Berlin ist es mittlerweile eigentlich kein Trend mehr, sondern vielmehr Alltag. Öko, vegetarisch oder vegan – ich bin der Letzte, der etwas dagegen hätte. Über Missionierungsversuche wurde sich oft genug aufgeregt, an sie hat man sich gewöhnt. Es ist vielmehr dieser Anspruch der oft dahinter steckt: Für mich nur die beste Ernährung. Nur Bio, kein Fleisch, Zucker und Fett am besten auch nicht – es bleibt eine kleine Auswahl an hochwertigen überteuerten Lebensmitteln. 

Was die Anhänger dieser Esskultur häufig vergessen ist, dass es Luxus ist, dieser Lebensart zu folgen. 

Und auch, dass es oft eine gewisse Form des Egoismus ist. Verkauft wird sie aber ganz anders: Als Liebe zur Umwelt und als Statement gegen den Konsum. Leider entspricht diese Etikette nicht ganz dem Inhalt des Verhaltens. Doch auch hier hat sich die Scheinheiligkeit ihren Weg gebahnt.

Die Kette kann man ewig fortsetzen – mir reicht es meistens schon meinen Facebook-Newsfeed durchzuschauen. Da finde ich immer wieder neue Scheinheiligkeitsmomente. 

Und dann frage ich mich manchmal: Gibt es so viele, die auf den überklebten Apfel reinfallen? 

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